Martinskirche in Cottbus-Madlow

Umgestaltung des Innenraumes

Geschichte
Die evangelische Martinskirche, die älteste Kirche von Cottbus, wurde 1124 als Holzkirche an Stelle einer slawischen Kultstätte errichtet.
Im späten 14. Jh. durch eine gotische Kirche aus Feld- und Backsteinen ersetzt, wurde Anfang des 15. Jh. ein markanter Westturm hinzugefügt. Im Zusammenhang mit der Gründung des deutschen Kaiserreiches 1871 bekamen zahlreiche prägende Gebäude eine neue -über die regionalen Grenzen hinausweisende kulturelle Bedeutung zugesprochen, so wurde die Madlower Dorfkirche, zum nationalen Denkmal erhoben–wie viele andere Denkmäler auch vergrößert und komplett neu ausgestattet.
Diese Ausstattung fiel in der DDR dem Holzwurm zum Opfer und wurden 1975 entfernt.
Noch kurz vor der Wende erhielt die Kirche eine neue Orgelempore.

Orientierung
Die Kirche ist –wie viele klassische Kirchbauten– in Verkörperung des Ausrufs
„Christus das Licht“ auf den Sonnenaufgang -buchstäblich Richtung Orient- „orientiert“.
Der Vorraum im massigen Westturm wurde im Erdton gestrichen – zum „irdischen Tunnel“, durch den man den Kirchenraum betritt.
Umso heller erscheint das Eintreten, unter der Orgelempore, die mit einem hellen baldachinartigen Mittelteil auf den Hauptraum hinführt.
Flankiert von massiv und meditativ konzipierten, kapellenartigen Raumbereichen:

Themenkapellen
Links der „Ort der Andacht“, mit Kerzenständer und Fürbittenbuch,
Rechts der „Ort der Tauferinnerung“, mittig ein Taufstein an einer für uns heute ungewohnten Stelle.
So wie der Gläubige mit der Taufe in die Gemeinschaft der Christen eintritt, so fand auch in dieser Kirche die Taufe früher nahe der Pforte statt. Der Taufstein hat also zu seinem historischen Ort zurückgefunden, jedes Betreten der Kirche wird so zu einem Moment der Tauferinnerung.

Alpha und Omega
Christus, ist der Anfang und das Ende, so ist auch die Taufe ritueller Tod und gereinigter Neuanfang.
Das Symbol für die Gleichzeitigkeit von Anfang (Α) und Ende (Ω) findet sich auch hier im Bereich der Tauf- und Andachtsorte versteckt, das Omega in der roten Wandmalerei, das Alpha in jeder Masche des metallenen Gitters.

Das Band der Gemeinde
Das ziegelrote Band aus den Themenkapellen findet sich abgemildert im Altarbereich wieder und bindet die gesamte Gemeinde mit dem Pfarrer zu einer Gemeinschaft – zu einer Einheit zusammen.

Das Altarkreuz
Während das horizontale ziegelrote Band die Gemeinde „umwickelt“, lenkt das raumhohe Kreuz den Blick nach oben. Das Bild des Kreuzes entsteht durch vier mit Gewebe bespannte Rahmen, wobei das Kreuz selber aus dem Licht besteht, das zwischen den Rahmen hindurchscheint. „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh. 18.36)
Erst wenn das Licht von außen abnimmt, bringt die künstliche Beleuchtung die 3-dimensionalen Faltungen der Gewebebespannung zur Geltung. An die Stelle des Kreuzes tritt dadurch das Motiv des Strahlenkranzes.

Altartisch
Das Tischtuch ist hier selbst zum Tisch geworden – so wie das Brot, das Christus beim letzten Abendmahl bricht und verteilt, Sinnbild ist, für seinen Tod – zur Befreiung Aller. Mit Christus Worten „Dies tut zu meinem Gedächtnis“ (Lk. 22,19.20) ist der initiale Ritus der Christen geboren.
Der gedeckte Tisch ist die Einladung, Christus zu begegnen.

Ambo
Als „Tisch des Wortes“ entlehnt er -wie gefaltetes Papier- seine Form dem aufgeschlagenen Buch.

Taufe
Um eine Taufe auch im Rahmen des Gottesdienstes zu ermöglichen, gibt es im Gegensatz zu dem schweren Taufstein einen leichten Taufständer. Seine Konstruktion leitet sich zum einen aus einem Wasserstrudel ab, erinnert aber auch an die Form des metallenen Gitters am Ort der Tauferinnerung.

Alt und Neu
In einer Kirche, die seit mittlerweile fast 900 Jahren genutzt wurde und auch heute noch aktiv genutzt wird, soll das Neue nicht mit dem Alten konkurrieren. Vielmehr stehen sich Traditionelles und Zeitgemäßes freundschaftlich gegenüber. Dieses Bewusstsein liegt der gesamten Gestaltung zugrunde, lässt sich aber vielleicht am prägnantesten anhand der Beleuchtung erklären.
In fast jeder protestantischen Kirche findet sich ein klassischer Kronleuchter.
Heute bewusst aus der Mitte gerückt, macht der Messingleuchter Platz für einen zweiten Lichterkranz, Lichtpunkte an silbrig spiegelnden Stäben, in denen sich die anderen Lichtpunkte wiederum spiegeln.
Ausgehend von diesem „virtuellen Leuchter“ machen sich die Lichtpunkte selbständig und verteilen sich wie Sterne am Himmel.

Partizipation
Religion ist nicht zuletzt von Generation zu Generation, von Mensch zu Mensch weitergegebene Weisheit.
Die Bibel selbst besteht aus einer Sammlung von Büchern, die über viele Jahrhunderte entstanden und weiterentwickelt wurden. „Autor“ gelebter Religion ist nicht der Einzelne, sondern die Gemeinschaft der Aktiven:
„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (MT 18.20).
Insofern wurde die heutige Innenraumgestaltung in einem intensiven Diskussions- und Partizipationsprozess mit der Gemeinde entwickelt.

Cottbus-Madlow, Madlower Schulstraße 2

Ort
Cottbus, Madlow

Bauherr
ev. Martinskirche Cottbus-Madlow

Leistungsphasen
Lp1 – Lp8

Fertigstellung
2015

Skizzen, Entwurf, Realisierung
BvdM Architekten, Berlin

Fotos
Johanna Rübel